(Montel) Die Gasnachfrage der deutschen Großverbraucher ist im Juli auf ihr niedrigstes Niveau in diesem Jahr gefallen und könnte mit der neuen Umlage für Endkunden weiter sinken, sagten Analysten zu Montel.
Im Juli lag die Nachfrage von Industrieunternehmen und anderen Großverbrauchern im Schnitt bei 1 TWh pro Tag, etwa 21% unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt, zeigten Daten des Marktgebietsbetreibers THE. Im Juni lag die Nachfrage im Schnitt bei 1,1 TWh pro Tag, um 14% unter dem langfristigen Durchschnitt.
Deutschland müsste zur Vermeidung von schwerwiegenden Engpässen im Winter seine Nachfrage um insgesamt 20% reduzieren, hatte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, diesen Monat gesagt. Hierin sind aber auch die Verbräuche der Haushalte eingerechnet.
Hintergrund der Debatte sind der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die verringerten Gaslieferungen aus Russland. Die russische Gazprom hatte die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 am Mittwoch vergangener Woche auf nur noch 20% der Kapazität gekürzt. Zuvor waren es 40%, was den Versorger Uniper bei stark gestiegenen Kurzfristpreisen am Gasmarkt in finanzielle Schwierigkeiten brachte.
Am 1. Oktober will die deutsche Bundesregierung – die im Rahmen eines 15 Mrd. EUR schweren Rettungspakets auch 30% an Uniper übernimmt – eine Umlage einführen, mit der die Gasverbraucher 90% der Mehrkosten für Uniper oder andere deutsche Gasimporteure durch russische Lieferausfälle zahlen.
Wie hoch die Umlage jedoch ausfallen soll, ist bisher noch unklar. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte beispielhaft von 20 EUR/MWh gesprochen.
„Es kommt darauf an, wie genau die Umlage aussehen wird. Das Wirtschaftsministerium, der Regulierer und der Marktgebietsbetreiber arbeiten noch an den Details“, sagte Enervis-Analyst Tim Steinert.
„Am Ende erhöht das die Preise für jeden Kunden. Das sollte die Nachfrage reduzieren“, sagte er, ergänzte jedoch, dass der genaue Effekt schwer abzuschätzen sei.
Weniger Produktion
Industriekunden hätten in diesem Jahr vermehrt versucht, wann immer möglich, ihren Gasverbrauch zu senken oder auf andere Brennstoffe umzustellen, sagte ein Analyst eines Energieunternehmens.
„Die Industrie überlegt bei diesen Preisen schon lange, die Produktion zu reduzieren. Es kann sein, dass die Umlage jetzt der letzte Strohhalm ist und dass einige Betriebe aufgeben müssen“, sagte er.
Nicht jeder Betrieb könne die Produktion einfach verringern, für manche sei es eine klare Entscheidung dazwischen, den Betrieb aufrechtzuerhalten oder nicht, sagte er.
„Vielleicht wird es auch im Haushaltsbereich eine Lenkungswirkung entfalten, aber es ist schwer zu sagen, wie viel dann effektiv gespart wird“, sagte der Analyst.
Der Frontmonat am THE kostete im Juli an der EEX im Schnitt 172 EUR/MWh, fast fünf Mal so viel im Juli 2021.
Starkes Signal
„Es wäre sicherlich gut, jetzt schon starke Signale an die Endverbraucher zu senden, dass der Verbrauch reduziert werden muss“, sagte Analyst Jens Völler vom Berliner Beratungshaus Team Consult. Je mehr jetzt schon eingespart werde, desto mehr könne eingespeichert werden und desto geringer werde das Problem im Winter, sagte Völler.
Preiserhöhungen könnten insbesondere für Industrieunternehmen, die ihren Gasbedarf zu vergleichsweise moderaten Preise gehedgt haben, ein wirksamer Anreiz sein, ihren Gasverbrauch zu senken, ergänzte er.
Zudem dürfte es noch Auktionen zur Reduktion des Gasverbrauchs bei Großkunden, insbesondere zur Reduktion von Lastspitzen, geben, wie von der EU vorgeschlagen, sagte Völler.
„Das allein wird das Problem jedoch nicht lösen können, man muss an allen Fronten ran und auch an alle Kundengruppen.“
Im Herbst werde es entscheidend sein, ob auch private Haushalte ihren Gasverbrauch für das Heizen zumindest teilweise reduzieren werden, sagte David Schlund vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln (Ewi).
„Am Ende muss es eine europäische Anstrengung sein – der große Hebel ist dann da, wenn ganz Europa Gas einspart“, sagte er und verwies auf die Pläne der EU-Staaten, ihren Gasverbrauch von Anfang August bis Ende März um 15 Prozent im Vergleich zu den jeweiligen Zeiträumen der vergangenen fünf Jahre zu reduzieren.